Die Höhle der Löwen 2023 „Unser Ziel ist es, Müttern die Unabhängigkeit zurückzugeben“

Anika Schmidt und Lena Pieper in die „Höhle der Löwen“ Quelle: RTL / Bernd-Michael Maurer

„Freemom“ bringt freiberuflich arbeitende Mütter mit Unternehmen zusammen. In der TV-Show überzeugten die Gründerinnen ihre Wunschinvestorin. Welche Chancen hat eine weitere Vermittlungsplattform?

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Freelancer-Jobs, speziell für Mütter: Mit diesem Konzept waren Anika Schmidt und Lena Pieper am Montagabend in die „Höhle der Löwen“. Am Ende der Präsentation stand ein Deal für das Gründer-Duo, das zum Zeitpunkt der Aufzeichnung vor einem knappen halben Jahr noch kein funktionierendes Produkt vorweisen konnte. Wie ging es seit der Aufzeichnung für Freemom weiter?

WirtschaftsWoche: Sie konnten Tijen Onaran bei der Aufzeichnung als Investorin gewinnen – mussten ihr aber statt geplanten 15 Prozent direkt 28 Prozent am Start-up abgeben. Schmerzt das?
Lena Pieper: Wir mussten uns genau überlegen, wie viele Anteile wir abgeben. Eigentlich hatten wir uns ein Maximum vereinbart. Doch mit Tijen Onaran haben wir nicht nur eine Investorin, sondern jemanden, die genau unsere Mission vertritt. Und auch unsere beiden Zielgruppen erreicht – sowohl die Frauen selbst als auch die Unternehmen. Deshalb haben wir uns für diesen Deal mit ihr entschieden, den hätten wir mit keinem anderen Investor in dieser Form gemacht.

Bei der Aufzeichnung war Freemom noch mehr Konzept als Plattform. Was ist im letzten halben Jahr passiert?
Anika Schmidt: Wir sind am Muttertag 2023 online gegangen – das war gleichzeitig der Tag des Freelancers. In den ersten 36 Stunden hatten wir die ersten einhundert Registrierungen, mittlerweile haben sich etwa 500 Nutzerinnen registriert, aus allen Bereichen: aus dem Personalwesen, dem Marketing und Kommunikation, Projektmanagement, Finanzen, Vertrieb und auch IT. Und seit Juli konnten wir die ersten Unternehmen gewinnen. Jetzt kann das Matchmaking beginnen.

Mit was für einem Hintergrund kommen die Nutzerinnen zu Ihnen?
Schmidt: Unsere letzte Community-Befragung hat gezeigt, dass etwa die Hälfte schon als Freelancerin arbeitet. Die andere Hälfte startet gerade erst auf diesen Weg. Etwa, weil der bisherige Job nicht mehr in der Form passt, weil die Vereinbarkeit mit der Familie nicht gegeben ist oder weil die Kinderbetreuung anders nicht stabil geregelt werden kann. Diesen Frauen helfen wir zusätzlich mit einem begleitenden Kurs, sich als Selbstständige zu etablieren.

Vermittlungsplattformen gibt es wie Sand am Meer. Warum jetzt noch eine?
Pieper: Weil die Bedürfnisse von Müttern auf den bisherigen Plattformen nicht richtig abgedeckt werden. Ich habe mich selbst nach der Elternzeit selbstständig gemacht, um mehr Vereinbarkeit und Selbstbestimmung zu schaffen. Es gibt nicht so viele Stellen – vielleicht mit Ausnahme des IT-Bereichs - , die tatsächlich komplette Remote-Arbeit und Teilzeit ermöglichen.

Schmidt: Wir sehen, wie schwer sich Unternehmen tun, Müttern nach der Elternzeit adäquate Jobs anzubieten. Zwei Drittel der Mütter müssen sich nach der Elternzeit mit weniger zufrieden geben. Die Zukunft der Arbeit ist Flexibilität, Unabhängigkeit und Vielfalt – all das ist für junge Mütter besonders wichtig. Aber heute tun sich noch viele Unternehmen schwer, das in ihren Strukturen abzubilden. Wir geben Müttern die Macht über ihre Lebensplanung zurück.

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Sind Mütter nicht ausreichend durch die bisherigen Gesetze und Regeln abgesichert?
Pieper: Einige Unternehmen machen das sicherlich schon sehr gut. Aber als Festangestellte im Personalbereich saßen wir häufig zwischen den Stühlen, wenn Frauen schwanger wurden oder aus der Elternzeit zurückkehrten. Richtig verstanden haben wir es erst, als wir selbst in der Situation waren: Viele Unternehmen wissen nicht genau, was sie mit Müttern machen sollen. So landen die Frauen in einer Ecke, in die sie gar nicht hinein möchten und die ihren bisherigen Karriereweg auch gar nicht widerspiegeln. Sie haben manchmal das Gefühl, dass sie dankbar sein müssten, dass sie zurückkommen dürfen – das ist natürlich falsch.

Schmidt: Bei der Arbeit als Freelancerin steht nicht die Frage im Vordergrund, was man noch mit begrenzteren Ressourcen schaffen kann – sondern die Kompetenz. Unser Ziel ist es, Müttern die Unabhängigkeit zurückzugeben. Die meisten unserer Nutzerinnen haben zehn und mehr Jahre an Berufserfahrung. Die können schnell weiterhelfen. Und das auch in Unternehmen, bei denen sie sich sonst nicht für eine Festanstellung bewerben würden.

Wie lässt sich dieser gewünschte Rahmen auf einer Plattform abbilden?
Pieper: Das Projekt muss zunächst einmal remotefähig und klar als Freelancing-Projekt abgegrenzt sein – schon da tun sich manche Unternehmen schwer. Nutzerinnen und Unternehmen können die Fachkompetenzen, die kulturelle Übereinstimmung aber auch die Flexibilität abgleichen: Das kann etwa bedeuten, wie wichtig eine regelmäßige Abstimmung zu fixen Terminen ist oder überhaupt zu den Geschäftszeiten eines Unternehmens.

Wie soll sich Freemom noch von anderen Freelancer-Seiten unterscheiden?
Schmidt: Häufig endet die Arbeit einer Plattform beim Matchmaking. Wir wollen die Services von A bis Z bieten: Angefangen bei der Auswahl, weiter über das digitale Abschließen von Verträgen bis hin zu der Abrechnung und Bezahlung.

Sie stehen jetzt vor der Aufgabe, Unternehmen für die Plattform zu gewinnen. Warum suchen die ersten registrierten Firmen bei Ihnen nach Freelancerinnen?
Pieper: Viele Personaler suchen nach neuen Wegen, Fachkräfte zu gewinnen - der Fachkräftemangel ist real. Und es gibt laut Familienministerium ein Potenzial von 840.000 Frauen, die arbeiten würden – wenn das in dem Rahmen ginge, den sie sich vorstellen. Da wäre es doch fahrlässig, diese Möglichkeiten nicht zu nutzen.

Schmidt: Einige Unternehmen machen mit uns ihre ersten Erfahrungen bei der Beschäftigung von Freelancerinnen. Andere nutzen uns als zusätzliche Plattform, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

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Wie soll es jetzt weitergehen?
Schmidt: Die ersten Projekte sind erfolgreich über unsere Plattform gelaufen, so soll es weitergehen. Wir sind auf verschiedenen Messen unterwegs und bewerben uns auf Auszeichnungen, um die Sichtbarkeit in der HR-Branche zu erhöhen. Wir werden als Gründerinnen mit den entsprechenden Personalverantwortlichen ins Gespräch kommen, für freie Arbeit als Teil der Lösung werben, gegen Fachkräftemangel und alte Vorstellungen von Karriere.

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